Spanischer Glockenrapier
Hauptsächlich trainiert die Gruppe mit dem sog. Glockenrapier. Charakteristisch sind eine relativ schlanke Klinge, eine vergleichsweise lange Kreuzstange, ein kurzer Griff und ein komplett geschlossenes Gefäß, auch Glocke oder Tasse genannt. Der bekannte Destreza-Author Rada beschreibt in seinem Buch “Nobleza de la Espada” (1705) die Maße für das Rapier (Espada) sowie den Dolch (Daga), der üblicherweise gleichzeitig mit der linken Hand geführt wurde. Der Dolch wird in Kreisen des Historischen Fechtens auch gerne als Parierdolch bezeichnet. In Radas Buch Nobleza de la Espada wird die Waffe mit “Espada” bezeichnet, was übersetzt schlicht “Schwert” bedeutet. Gebräuchliche weitere Begriffe lauten: Rapier bzw. Degen. Zur Zeit Radas (Ende des 17. bzw. Anfang des 18. Jahrhunderts waren im Herrschaftsbereich der spanischen Krone - immer noch - sogenannte Glockenrapiere oder Glockendegen in Mode und Gebrauch. Der Übergang zum Hofdegen (engl.: Smallsword) wurde in diesem Bereich erst später eingeleitet als beispielsweise in Frankreich.
Nach dem Versuch einer Klassifizierung von Rapieren durch A.V.B. Norman (The Rapier and Smallsword, 1460-1820, S. 174-176 und 179-180) könnte es sich um die Glockenrapiere mit den Hilts* 100 (ca. 1630 bis 1700 und später) und 101 (ab 1650) gehandelt haben. Ein signifikanter Unterschied besteht vor allem in der Form der Glocke. Während bei Hilt 100 die Glocke flacher ausfällt und einen umgeschlagenen Rand als Klingenfang aufweist, fehlt dieser bei Hilt 101. Hilt 101 fällt zudem tiefer aus. Norman verweist explizit auf Hilt 101 in Zusammenhang mit Francisco Lorenz de Radas Fechtbuch Nobleza de la Espada auf Seite 179.
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Klinge
Klinge
Kreuzstange
Kreuzstange
Knauf
Knauf
Gefäß
Stichblatt
Faustbügel
Spitze
Spitze
Griff
Aufbau des Rapiers und Dolches (Abbildung: moderner Trainingsrapier von Ulrich Langbehn und Trainingsdolch von Destrezania)
Quelle: The Rapier and Small-Sword 1460-1820, A.V.B. Norman, S. 174 u. 179.
Zu den Maßeinheiten:
1 Kastilischer Vara (vara castellana) = 3 Kastilische Fuß (pie castellano) = ca. 83,5 cm
1 Fuß = 16 Fingern = ca. 27,8 cm
1 Finger = ca. 1,73 cm (Breite eines Fingers)
Die Bezugspunkte für die Maße des Rapiers ergeben sich laut Rada aus den perfekten Proportionen eines Menschen. Er erwähnt in diesem Zusammenhang Künstler, wie zum Beispiel Maler und Bildhauer “los Pintores, y Escultores” und beschreibt als natürliches Maß “natural” die Höhe von zwei kastilischen Varas “dos varas de alto”. Die ideale Größe eines Menschen wurde sodann in 96 Fingern umgerechnet. Davon musste das Schwert 64 Finger messen, das entspricht â…” Drittel der Maße des Mannes.
Die Kreuzstange musste 16 Finger messen, â…™ der Maße des Mannes. Das Gefäß musste insgesamt 1/12 der Maße des Mannes entsprechen. Hinzu trat ein königliches Gesetz von von König Philipp II. aus dem Jahr 1566, wonach ein Schwert vom Ort bis zur Kreuzstange maximal â…˜ Vara (umgerechnet ca. 104,5 cm) lang sein durfte, worauf Rada explizit verweist.
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Daraus ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:
Größe des idealen Mannes als Bezugspunkt: 1,67 m
Gesamtlänge des Rapiers: 111,2 cm
Klinge: maximal 104,5 cm (eher kürzer)
Kreuzstange: 27,8 cm
Gefäß Durchmesser: 13,9 cm
Griff: für den Griff inkl. Knauf bleiben ca. 6,7 cm bei maximal zulässiger Klingenlänge
Bezüglich der Grifflänge rät Rada, dass in der Position des Angulo Recto der Knauf am Handgelenk (linea racepta) liegen sollte. Dadurch fällt der Griff des spanischen Rapiers generell kurz aus.
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Die von der Gruppe verwendeten stumpfen Trainingssimulatoren bewegen sich zwischen ca. 850-1100 Gramm.
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Malte Melms hatte während eines Praktikums die Gelegenheit vier Exemplare zu vermessen, die im Klingenmuseum Solingen aufbewahrt werden. Im Rahmen der Destreza Tage 2024 hielt er hierzu einen Vortrag. Die dazugehörige Präsentation findet man hier.